Können wir eine demographishe Katastrophe vermeiden? Wer hat seit 1975 dafür gewählt?

Die BRD hat eine Lösung für das Problem der Überalterung der Bevölkerung ausgearbeitet: zig Millionen ungebildete, nicht deutschsprechende, junge Menschen sollen rein ins Land. Die etablierten Parteien haben so entschieden, auch wenn es andere Lösungen zu finden gibt. In Russland z.B. gibt es ausreichende finanzielle Anreize für einheimische Frauen, die Kinder bekommen, damit mehr Kinder geboren werden. Doch in Deutschland haben sie andere Prioritäten.

Es macht überhaupt keinen Sinn, daß die BRD-Meinungsmacher lieber mehrere hunderttausend Bootsladungungen von ungebildeten und arbeitslosen Flüchtlingen aufnehmen würden, als mindestens zwei gebildete, gut erzogene, einheimische Kinder pro Familie zu fördern. Wie sollen solche Politiker unsere Volksvertreter sein?






Andererseits kann das BRD-System nicht allein verantwortlich sein, wenn wir selbst kein Interesse daran haben, daß Kinder geboren werden. Die Warnungen werden schon seit 35 Jahren ignoriert. Lies mal diesen Zeitungsartikel aus vom März 1975:
"Die Kinder wollen keine Kinder mehr"
Der Spiegel, März 1975

Nirgendwo sonst auf der Welt werden so wenig Kinder geboren wie in der Bundesrepublik. Nur Gastarbeiter sorgen noch für einen Baby-Überschuß. Die Deutschen, Volk ohne Nachwuchs? Zwar mehr Sex, aber kaum noch Folgen? Ob der rapide Abwärtstrend anhält, ist umstritten. Für national Gesinnte wäre das der Ruin. Das Gros der Experten aber wertet die Baby-Sause positiv: Sie bringt in vielen Bereichen soziale Entlastung.

In der Kleinstadt Metzingen am Fuße der Alb, wo es tüchtigen Schwaben gelang, die Zahl der Einwohner im Verlaufe nur eines Jahrzehnts annähernd zu verdoppeln, sah sich Bürgermeister Eduard Kahl unlängst genötigt, "etwas sehr Bedauerliches" zu tun. Er mußte das städtische Entbindungsheim schließen lassen, "früher unser Stolz", doch was blieb ihm übrig: "Die Sexwelle ist hochgeschwappt, aber die Kinder, die da kommen sollten, die fehlen jetzt."

In der Hamburger Frauenklinik Finkenau, wo laut Chefarzt Günter Franz früher "ein Menschengewimmel fast wie auf der Mönckebergstraße im Einkaufsviertel der City herrschte, ist der Rummel nun vorbei". Nun sei es möglich, die "Gebärenden besser zu überwachen und es ihnen ein bißchen netter zu machen -- das geht bloß, weil wir weniger Geburten haben".

Ob in der Provinz oder in der Großstadt -- es kriselt in deutschen Kreißsälen, der Nachwuchs läßt auf sich warten. Die Nordwestdeutsche Krankenhausgesellschaft erwägt schon mal, so ihr Geschäftsführer Heinz Glünder, "gynäkologische Betten für andere Fachbereiche zur Verfügung zu stellen"; auch zu Hause werden die gemeinhin freudigen Ereignisse seltener.

Daß Geburtshelferinnen mangels Masse den Beruf wechseln, etwa Fürsorgerin werden oder Masseuse, "solche Fälle gibt es", berichtet Ruth Kühe vorn Hebammen-Verband, der viel kleiner ist, als er einmal war ("Wir sind ja nur noch 77 Prozent").

In den Wartezimmern der Kinderärzte geht es ruhiger zu. "Die Zahl der Scheine", erläutert der Vorsitzende des Berufsverbandes der Kinderärzte, Kurt Fölsing, "ist erheblich zurückgegangen, gut für die Kinder, nicht für unser Portemonnaie, wir liegen an der untersten Einkommensgrenze für Fachärzte."

Binnen drei Jahren sank der Absatz der Kinderwagen in der Bundesrepublik um ein Fünftel. Gestricktes und Gewirktes geht so schlecht, daß viele Betriebe für Babybekleidung "am Existenzminimum herumkrebsen", wie Hauptgeschäftsführer Herbert Warnke vorn Verband "Gesamtmasche" weiß.

Die Kölner Gummiwarenfabrik Carl Plaat hat sich mehr auf die Produktion von Badekappen verlegt, "weil das Schnuller-Geschäft langsam, aber sicher in die Binsen geht" -- so Prokurist Jakob Lurtos, 57, der gewissermaßen das Problem verkörpert: Lurtos ist das sechste von zwölf Kindern, er selber hat nur eins. Alle zwölfe zusammen haben fünf Nachkommen, die ihrerseits nicht sonderlich am Kinderkriegen interessiert schienen. Lurtos: "Unsere Pänz wollen selbst keine Pänz mehr."

Was sich da in leichtem Kölsch artikuliert, meint die Tendenz im ganzen Land. In Schleswig-Holstein wie in Bayern werden nicht mehr genügend Kinder geboren, die Bevölkerung auch nur konstant zu halten. Bei den Ostfriesen wie bei den Hessen bleibt die Liebe zunehmend ohne Folgen, das Volk schrumpft, und neuerdings ist das auch amtlich.

Aus der Bevölkerungsstatistik für 1974, die jetzt vorn Statistischen Bundesamt veröffentlicht wurde, geht hervor, daß im vergangenen Jahr in der Bundesrepublik 724 881 Personen starben, aber nur 623 067 Neuburger ("Lebendgeborene") hinzukamen. Die Differenz von 101 814 bedeutet das größte Geburtendefizit in Friedenszeiten, das die Statistiker in Deutschland je zu verzeichnen hatten, seit sie vor 130 Jahren mit der kontinuierlichen Bevölkerungszählung begannen.

Schon fragte in Bonn die Opposition an, ob die Regierung nicht Abhilfe schaffen wolle. Das Familienministerium freilich versuchte -- am Mittwoch vergangener Woche -- zu beschwichtigen: Noch sei der Geburtenrückgang nicht so bedrohlich, daß "bereits jetzt" der Zeitpunkt zum "Einsatz direkter bevölkerungspolitischer Maßnahmen" gekommen wäre.

Dabei hat die Geburtenrate, die Zahl der Lebendgeborenen je 1000 Einwohner, mit dem Wert 10,0 einen historischen Tiefstand erreicht. Die Bundesrepublik rangiert am Ende sämtlicher Länder der Welt, in Europa weit hinter Ländern wie Frankreich (16,4), Italien (16,0) oder Schweden (13,5); nur die DDR (10,6) ist vergleichbar knapp an Kindern.

Was in nahezu allen Industriestaaten feszustellen ist, eine Verlangsamung der Bevölkerungszunahme bis hin zum demographischen "Null-Wachstum", hat sich in Deutschland zu einer Art biologischer Rezession fortentwickelt -für die "Frankfurter Allgemeine" ein "Novum fundamentaler Art", schlechthin "die große Wende". In den Geburtenkurven ist sie als scharfer Abwärtstrend ausgewiesen, der sich längst als "Pillenknick" herumgesprochen hat.

Daß sich dieser Effekt im graphischen Bild krasser zeigt als im Alltag, hat vornehmlich zwei Gründe: Zum einen bedeutet Nachwuchsmangel in vielen gesellschaftlichen Bereichen nicht schieres Vakuum, Raum ohne junges Volk, sondern eher Abbau strapaziöser Überfüllung und damit soziale Entlastung.

In 300 Jahren

keine Deutschen mehr?

In Geburtenkliniken müssen Schwangere nicht mehr so häufig in Notbetten auf dem Flur auf die Entbindung warten, die Ärzte haben mehr Zeit. Ähnlich vorteilhaft wirkt sich die Verringerung der Geburtenzahl für die Qualität der Kindergarten-Betreuung aus. "Wir gehen bei den Gruppenstärken von 25 auf 20 Kinder herunter", sagt Karl Mai vom hessischen Sozialministerium. Und nun sind auch schon mal Kindergartenplätze frei, sieben beispielsweise im Wiesbadener Kindergarten der evangelischen Markusgemeinde, der, so die Leiterin Ursula Stolz, "noch 1970 völlig überfüllt war".

Zum anderen wird die Baby-Baisse der Deutschen überlagert vom Baby-Boom der Gastarbeiter. "Ich hörte links und rechts nur Gejammer in fremden Sprachen, auch mal "viel Schmerz, viel Schmerz' in gebrochenem Deutsch", berichtet die Berlinerin Anne Wittech, die im Weddinger Virchow-Krankenhaus niederkam und an Besuchstagen "eine türkische Invasion" erlebte: "Da drängten sich ganze Sippschaften, ein deutscher Vater kam kaum durch, die Ausländer machen Kinder wie die Brezeln."

Noch vor vier Jahren war nur jedes zehnte in der Bundesrepublik geborene Kind fremder Leute Sproß, jetzt ist es schon jedes sechste oder sogar fünfte. Mehr als 100 000 Neugeborene des Jahres 1973 gehen auf das Konto von Ausländern.

In Frankfurt wuchs die Zahl der Gastarbeiterkinder fast im gleichen Tempo, wie die Geburtenzahl der Einheimischen schrumpfte: 1964 wurden 8992 deutsche und 800 ausländische Kinder registriert, 1972 betrug das Verhältnis 3730 zu 2216, 1974 etwa 3056 zu 2400, und 1976 werden voraussichtlich in der Main-Stadt mehr Ausländer als Deutsche geboren.

Einer "Invasion von Gastarbeiterkindern" sehen sich Kindertagesstätten in Nordrhein-Westfalen und in West-Berlin ausgesetzt, wo auch schon jedes vierte Neugeborene anatolischer oder mazedonischer, jedenfalls fremder Abstammung ist. "Die Gastarbeiterfrauen legten sich tüchtig ins Zeug", findet Hans Dullstein von der Hessischen Krankenhausgesellschaft. "Die füllen unsere Stationen", sagt Fürsorgerin Christa Wannow vom Gesundheitsamt in der Hamburger City, "sonst müßten wir einige Stellen schließen."

Denn "wenn man das fruchtbare Wirken unserer fleißigen Gastarbeiter abzieht", wie die "Süddeutsche Zeitung" schon im vergangenen Jahr ironisch vorrechnete, dann werden jährlich nur noch gut 500 000 genuine Deutsche geboren -- womit sich die Geburtenzahl in einem Jahrzehnt glatt halbiert hat und der weiland christdemokratische Familienminister Franz-Josef Wuermeling nun meinen könnte, er habe recht gehabt, als er einst sagte: "Unter der Decke sind wir ein sterbendes Volk."

Nicht nur der Hamburger Hobby-Anthropologe Jürgen Rieger, nach eigenem Bekunden "national gesinnt", hat solche Erkenntnis für das nächste Jahrtausend extrapoliert: Danach müßte der "Volksbestand" der Republik in etwa 30 Jahren auf 37 Millionen geschrumpft und in 300 Jahren ganz und gar verschwunden sein.

Vielmehr hat auch das bayrische Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen düstere Visionen heraufbeschworen, als es vor kurzem den Bevölkerungsstand in zwei Modellrechnungen mit unterschiedlichen Grundannahmen, einer "optimistischen" Variante I und einer "pessimistischen" Variante II, in die Zukunft projizierte.

Schon die optimistische Kalkulation läßt vom Volk der Bayern nicht viel übrig. Nur mehr die Hälfte von heute, 5,5 Millionen, würden in hundert Jahren noch das Land bevölkern. "Die Bevölkerungsschrumpfung", heißt es im amtlichen Text, "ist begleitet von einer gleichzeitigen Bevölkerungsüberalterung. Den geburtenstarken älteren Jahrgängen stehen zahlenmäßig drastisch reduzierte jüngere Jahrgänge gegenüber -- die Bevölkerungspyramide verwandelt sich in einen Bevölkerungspilz."

Nach Variante II aber wäre in hundert Jahren alles vorbei. Nach diesem Modell würde das Freistaatvolk auf lumpige 2,5 Millionen schrumpfen: Das demographische Bild der Bayern wandelt sich von der stattlichen Pyramide (ausgeglichene Altersstruktur) über den Pilz (Überhang an Alten) zu einer traurig-dürren Spindel (siehe Graphik). "Zur Bestandserhaltung der Bevölkerung" müßte nach Rechnung des Statistischen Bundesamtes jede Ehefrau "im Durchschnitt mindestens" 2,18 Kinder haben -- sie bringt es nur auf 1,8 und die Unverheirateten bleiben fruchtlos hinterm Komma. Das ist das Gravierende: daß nicht nur die Geburtenrate abgesunken ist (was theoretisch Zufall oder Ergebnis einer statistischen Verzerrung sein könnte), sondern auch die von Demographen so genannte "allgemeine Fruchtbarkeitsziffer". Sie gibt an, wie viele Kinder jährlich von jeweils 1000 Frauen in der Altersgruppe von 15 bis 45 Jahren geboren werden, und ist neben der durchschnittlichen Kinderzahl pro Ehe der genaueste Anhaltspunkt für das generative Verhalten.

Auch im internationalen Vergleich der allgemeinen Fruchtbarkeitsziffern rangiert die Bundesrepublik mit 51,1 Lebendgeborenen je 1000 Frauen an letzter Stelle der Welt, weit hinter Industrienationen wie den USA (87,6), der Sowjet-Union (65,2) und Japan (76,1) und traditionell geburtenschwachen Ländern wie Finnland (63,4). Sie ist, nach allen verfügbaren Ziffern und Raten, am Geburten-Tiefpunkt nicht nur ihrer eigenen Geschichte, sondern weltweit und absolut angelangt.

Umgerechnet besagen die Fruchtbarkeitsziffern, daß zur Zeit jede bundesdeutsche Frau zwischen 15 und 45 im Durchschnitt noch gerade 1,5 Kinder zur Welt bringt (DDR: 1,7) -- um 1800 gebar jede Frau im Laufe ihres Lebens sieben Kinder im Schnitt, von denen fünf am Leben blieben. Selbst in den Vereinigten Staaten, wo es schon ein "non parent movement" gibt, eine Keine-Kinder-Bewegung, bringt jede Frau im gebärfähigen Alter noch 1,9 Kinder hervor.

Daß die ganz Jungen, neuerdings schon mit 18 volljährig und von Amts wegen "ehemündig", statistisch über die Stränge schlagen, ist eine abwegige Annahme. Zwar verzeichneten Standesämter, so der Altonaer Regierungsobersekretär Uwe Sachers, seit dem 1, Januar "einen großen Zuwachs" an Aufgeboten von 18jährigen und "auch von denen, die erst in nächster Zeit volljährig werden". Doch hat Sachers nicht den Eindruck, daß "diese jungen Damen und Herren heiraten, weil ein Kind unterwegs ist".

"Ein Kind -- das ist nichts als Sorge, ärger, Verzicht."

Dem erotischen Zufall, so scheint es. überlassen die Jungen wie die Älteren so ohne weiteres nichts mehr. Was immer selbstverständlich war, nämlich Kinder zu haben, ist für viele keineswegs mehr die schicksalhaft akzeptierte, quasi naturnotwendige Lebensbestimmung.

Manche verzichten, wie die hannoversche Sekretärin Gudrun Schieck, 31, verheiratet mit einem Automobilkaufmann, von vornherein auf Kinder. "weil wir sonst das ganze Leben ändern müßten". Eine offenbar wachsende Minderheit junger Eheleute adoptiert lieber, so die Frankfurterin Gabriele Schupp, 22: "Ich will kein eigenes Kind, es gibt ja genug andere."

Andere fürchten, daß sich die emotionalen und finanziellen Investitionen, die ein Kind verlangt, nicht amortisieren könnten -- wie der Hamburger Ehemann Bernd Rothenbucher, 30, der in "Bild" auf die Frage "Warum eigentlich nicht?" antwortete: "Die schönen Stunden, die man mit einem Kind verlebt, machen fünf Prozent aus, die restlichen 95 Prozent sind nichts als Sorge, Ärger, Verzicht."

Für Ehepaare mit ein oder zwei Kindern, so für Dörte und Heinz Tiaden, medizinisch-technische Assistentin und kaufmännischer Angestellter in Kiel, ist häufig an ein weiteres Kind ohnehin "gar nicht zu denken". Für Frau Tiaden, die halbtags mitarbeitet, ist schon jetzt "der Nachmittag mit Arbeiten im Haushalt und den Schularbeiten der beiden Kinder völlig ausgefüllt".

Ausgelastet fühlen sich aber auch Mütter zweier Kinder, bei denen "finanzielle Probleme keine Rolle" spielen und die daher ganztags als Hausfrau wirken können -- wie die Berlinerin Anusch Gern*, 32 und Frau eines Geschäftsführers, die ihre dritte Schwangerschaft unlängst abbrechen ließ: "Wir heben uns auf die beiden ersten Kinder gefreut, die waren gewünscht und eingeplant; aber nun wäre es schön, wenn mir für meinen Mann etwas mehr Freizeit bliebe."

* Name von der Redaktion geändert.

Doch womit auch immer der Wunsch nach Kinderlosigkeit oder jedenfalls begrenzter Kinderzahl begründet wird -- Wirklichkeit werden konnte er in so hohem Maße erst, nachdem auch in der Bundesrepublik Familienplanung enttabuisiert worden ist. Kein Zweifel, daß die Pille die Baby-Baisse beschleunigt hat.

"Die Pille ist nicht

die Ursache dieses Geschehens."

Als Wegbereiter hat sich nach Ansicht von Bevölkerungsforschern, paradox genug, vor allem der Papst verdient gemacht. Niemand anders als Paul VI. hat, so Professor Hans Harmsen von der Deutschen Akademie für Bevölkerungswissenschaft in Hamburg, durch seine "schroffe Ablehnung der Pille die Kenntnis von deren Möglichkeiten bis ins hinterste Walddorf getragen". Mittlerweile nutzen in Westdeutschland wie in anderen westlichen Industriestaaten mehr als vier Fünftel der fruchtbaren Paare regelmäßig Verhütungsmittel, rund ein Drittel der gebärfähigen Frauen die Pille.

Fachleute sehen in dieser Entwicklung freilich keinen hinreichenden Grund, sich der landläufigen These vom "Pillenknick" anzuschließen. "Die Pille ist", erläutert Harmsen, "nicht die Ursache dieses Geschehens, sie ist nur eine der Bedingungen, unter denen sich die Entwicklung des Geburtenrückgangs so beschleunigen konnte."

Die Ursache sehen Wissenschaftler wie Harmsen vielmehr in einer epochalen "Veränderung des generativen Verhaltens" -- und die wiederum ist das Produkt einer Vielzahl von Faktoren, die, wie Bonns Familienministerium feststellt, "im einzelnen und in ihrem Gewicht noch nicht ausreichend geklärt sind".

Fest steht immerhin, daß sich in der Bundesrepublik -- Pille hin, Pessar her -- eine Entwicklung vollzieht, die bislang in keinem Land ausgeblieben ist, das sich vom Agrar- zum Industriestaat gewandelt hat. Dem Sinken der Geburtenrate liegt ein Bündel von Bedingungen zugrunde, das von den Demographen weltweit mit der englischen Vokabel "modernization" umrissen wird.

Wann immer nämlich eine Gesellschaft ihren agrarischen Charakter verliert, gerät jener "negative Regelkreis" in Unordnung, der jahrtausendelang einer Übervölkerung der Erde entgegengewirkt hat: In primitiven Gesellschaften mit hoher Fruchtbarkeit verhinderten periodisch auftretende "Sterbegipfel" -- Hunger und Seuchen, Krieg und Kopfjagd -- zu rasches Wachstum.

"Modernization" jedoch -- Sammelbegriff für wachsende Industrialisierung und abnehmende Kirchenherrschaft, für Bildungsanstieg und Verstädterung -- senkt regelmäßig die Sterberate. Durch Seuchenbekämpfung wird die Lebenserwartung verlängert, gleichzeitig nimmt die Kindersterblichkeit ab, die Bevölkerungszahl steigt. In der Bundesrepublik hielt diese Phase bis in die sechziger Jahre an.

Mittlerweile ist auch in Westdeutschland eingetreten, was, freilich weniger frappant, in allen vergleichbaren Industrieländern zu verzeichnen ist: Die Geburtenrate tendiert dahin, sich der gesunkenen Sterberate anzupassen -- ein Prozeß, den Bevölkerungsforscher "demographic transition" nennen.

Beschleunigt wird dieser Übergang durch eine Reihe sozioökonomischer Faktoren. Während etwa in den Großfamilien der Agrargesellschaften "Kinderreichtum" dafür stand, daß der Nachwuchs familiäre Arbeit abnimmt und die Altenteiler unterhält, sind Kinder in den Kleinfamilien der Industrienationen, hauswirtschaftlich gesehen, "nutzlose Fresser" -- so unlängst der Soziologe Gunnar Heinsohn im Lehrer-Fachblatt "päd. extra".

"Im Kaufmannsdeutsch sind Kinder schlicht Fehlinvestitionen."

Kinder sind längst nicht mehr existenznotwendig. Der Arbeitnehmer von heute, Zwangsmitglied von Kranken- und Altersversicherungen, kann sich, anders als seine Vorfahren, "ökonomisches Desinteresse an privatem Nachwuchs" (Heinsohn) leisten, ohne fürchten zu müssen, am Lebensabend unversorgt zu sein.

Was Nationalisten als völkische Katastrophe begreinen, begreifen Fachleute durchweg als sicheres Anzeichen dafür, daß nunmehr ein positiver statt des "negativen Regelkreises" zu funktionieren beginnt, anders als in vielen Zonen der Dritten Welt, wo noch immer agrarisch hohe Geburtenraten auf industriell niedrige Sterberaten prallen und die Gefahr erhöhen, daß "Todesgipfel" für den Ausgleich sorgen. "Das Ende des Geburtenüberschusses in einem so dicht besiedelten Land wie der Bundesrepublik", formulierte es die liberale "Süddeutsche Zeitung", "beweist das Wirken der Natur mit Hilfe der Vernunft."

Der Vernunft freilich ist durch eine Reihe verschiedenartiger Einflüsse kräftig nachgeholfen worden -- vor allem durch den Umstand, daß sich Kinder leicht als Konsumbremse und Karrierehindernis auswirken können. Wer aufsteigen will, muß über berufliche Mobilität verfügen, die Beweglichkeit jedoch sinkt rapide mit steigender Kinderzahl; Umzüge werden teurer, der Wechsel in ein anderes Bundesland, mit anderem Schulwesen, wird kompliziert.

Seit kein Kaiser mehr nach Geburtennachschub für den Schützengraben ruft und kein Führer mehr den Gebärfleiß mit Mutterkreuzen dekoriert, ernten Kinderreiche eher Mitleid oder Spott. Sogar adelige Gutsbesitzerfamilien mit vier Kindern bekommen Hänselworte wie "Kaninchenstall" zu hören, und "beneiden", findet Dorothea Höse, 48, Mutter von vier Kindern und Frau des oldenburgischen Generalstaatsanwalts Friedrich Höse, über ihre Mitmenschen, "beneiden tun sie uns auch gerade nicht".

Denn Kinder, konstatierte 1973 freimütig das mittlerweile eingegangene Monatsmagazin "Dialog" des Springer-Verlags, "drücken den Lebensstandard. Im Kaufmannsdeutsch sind sie schlicht Fehlinvestitionen". In der Tat errechnete schon 1969 der Europarat, daß der Lebensstandard einer Facharbeiter-Familie mit drei Kindern "bei etwa einem Drittel dessen eines kinderlosen doppelverdienenden Ehepaares" lag.

Schon nach der Geburt des ersten Kindes versetzen die hohen Kosten und zusätzliche Mühen vielen Jungverheirateten, wie der Kieler Bevölkerungsforscher Hans W. Jürgens registrierte, einen "Baby-Schock": Eheleute, die sich vor der ersten Geburt in der Regel noch zwei bis drei Kinder gewünscht haben, wollen danach kaum

noch zwei; im Durchschnitt gehen ihre Wünsche von 2,5 auf 1,8 Kinder zurück.

Am kühlsten kalkuliert "die besonders aufstiegsstrebige Schicht der mittleren Angestellten und Beamten". Diese Gruppe hat, fand der Wiesbadener Bevölkerungsstatistiker Karl Schwarz heraus, in der Bundesrepublik "bisher immer die wenigsten Kinder" gezeugt.

Verstärkt wird das weibliche Desinteresse am Kinderkriegen noch durch den wachsenden Zwang oder Drang zu außerhäuslicher Mitarbeit. Seit immer mehr Frauen es nicht mehr für ihre Bestimmung halten, zeitlebens das Heim zu hüten, sondern Bestätigung und Betätigung vorwiegend im Berufsleben suchen, bedeutet Mutterschaft für eine Frau oft zugleich eine "schwere Beeinträchtigung ihrer Konkurrenzfähigkeit und mithin Existenzsicherheit" (Heinsohn).

Auch wenn der Staat durch mehr Kindergeld und mehr Kindergärten oder durch die Einführung eines "Erziehungsgeldes", wie in Bonn bereits geplant, versuchen sollte, derlei Nachteile auszugleichen -- für Autoren wie Heinsohn ist es "zweifelhaft", ob "das Anbieten von Geld" ausreicht, den Trend zu wenden. Mit Prämien, begründet der Wissenschaftler seine Skepsis, werde "das Konkurrenzrisiko der Frauen ja nur gemindert, nicht aber für ihr ganzes Leben aufgehoben".

Obendrein wandelt sich, so scheint es, auch die Einstellung vieler Frauen zur Schwangerschaft, die häufig genug von Angstgefühlen begleitet ist. Während Mütter einst nach der Geburt sogleich die Frage stellten: "Junge oder Mädchen?", wird nun -- wie Mediziner unlängst auf einer katholischen Akademie-Tagung in Regensburg berichteten -- immer häufiger gefragt: "Ist das Kind gesund, ist alles dran?"

Vor der Geburt Furcht vor Mißbildungen, nach der Geburt Sorgen um Autoritäts- und Schulärger, um Wohnungs- und um Geldprobleme -- diese Grundstimmung ist in jüngster Zeit offenbar durch allgemeine Zukunftsängste noch verstärkt worden. Daß derlei Krisenfurcht die Gebärfreudigkeit dämpft, gilt unter Demographen als erwiesen: Ob 1932, im Jahr der größten Arbeitslosigkeit, ob 1966/67, zur Zeit der bundesdeutschen Rezession -- jedesmal war verstärkter Geburtenrückgang die Folge.

Wie lange solche Stimmungen anhalten, ob das Geburtendefizit weiter wachsen wird oder ob sich die Geburtenrate lediglich auf die Höhe der gesunkenen Sterberate einpendelt -- kein Demograph weiß das mit letzter Sicherheit vorauszusagen. Nachweisbar ist allerdings, daß das derzeitige Geburten-Tief durch zumindest zwei Faktoren mitbedingt ist, die nicht von Dauer sind.

Zum einen sind seit Mitte der sechziger Jahre die Angehörigen der zahlenmäßig schwachen Geburtenjahrgänge aus den letzten Kriegs- und den ersten Nachkriegsjahren ins Heiratsalter gekommen: Bis zu einem Viertel des Geburtenrückgangs der vergangenen Jahre ist denn auch nicht etwa eine Folge von Veränderungen des generativen Verhaltens, sondern der simplen Tatsache, daß Anfang der siebziger Jahre "weit weniger junge Ehen vorhanden waren" als Mitte der sechziger Jahre, wie Statistiker Schwarz sagt.

Zum anderen ist fast ein Sechstel des Geburtenrückgangs auf den bloßen Umstand zurückzuführen, daß viele Eltern die Möglichkeiten der Familienplanung nicht zur zusätzlichen Verhütung von Nachwuchs, sondern lediglich zur Verlängerung des Abstandes zwischen den einzelnen Geburten nutzen.

Seit 1966 haben sich pro Jahr die Geburtenabstände um durchschnittlich 23 Tage (6,2 Prozent einer Jahreslänge) vergrößert -- was in den Jahresstatistiken den Geburtenausfall um 6,2 Prozent in die Höhe trieb.

"Früher oder später", prognostizierte Statistiker Schwarz schon 1973, "wird eine Stabilisierung der Geburtenabstände eintreten." Ferner sei eine "allmähliche Wiederzunahme der Zahl der jüngeren Ehen zu erwarten, sobald die wieder stärkeren Geburtsjahrgänge nach 1950 ins Heiratsalter kommen Schon aus diesen beiden Gründen werde womöglich, jedenfalls vorübergehend, die Geburtenziffer "zumindest nicht weiter sinken". Allerdings, eine "ganz sichere Prognose" hält auch Schwarz für "nicht möglich".

Denn nirgendwo tritt das Dilemma der Prognostik so deutlich zutage wie bei Hochrechnungen auf das generative Verhalten von Völkern. So korrigierte das Baseler Prognos-Institut seine Bevölkerungsschätzung für 1985 binnen Jahresfrist von 62,8 auf 60,9 Millionen. Prognose-Schnitzer zeitigt vor allem das gebräuchliche Verfahren, kurzfristig beobachtete Trends langfristig hochzurechnen. Das war auch der Fehler der bayrischen Landesplaner, als sie die Geburtenentwicklung -- ausgerechnet -- Münchens auf Landesebene und in die Zukunft projizierten:

Die Schreckens-Varianten I und II, obwohl ausdrücklich "nicht als Prognose ... sondern als Fallstudien" deklariert, stifteten im Münchner Ministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen immerhin Horror-Visionen von "drohendem Bevölkerungskollaps" mit "schwerwiegenden Folgen für die Sozialpolitik und die Raumordnungspolitik".

Die Deutschen der Zukunft -- "reich, emanzipiert und ausgestorben"?

Die Fragwürdigkeit solcher Zukunftsanalysen ist von Demographen längst erkannt. "Rein extrapolativ-prognostisches Denken" ist für das Münchner Ifo-Institut "eher eine Brücke zum Irrtum als zu besserem Zukunftswissen".

Vor allem nämlich übergehen die schlanken Hochrechnungen, daß extreme Entwicklungen Widerstände auslösen. "Sie berücksichtigen", so der Revölkerungswissenschaftler Hermann Schubnell, "nicht die Reaktion der Bevölkerung auf ein Sinken." Auch das Prognos-Institut setzt auf eine Art automatischer Kurskorrektur" wonach "diese überraschenden Tendenzen. langfristig selbst die Kräfte zu ihrer Umkehr wecken".

Als gegenwärtig wahrscheinlichste Langzeitentwicklung der deutschen Bevölkerungszahl gilt denn auch eher die Stagnation, mit leichter Schrumpftendenz. Schubnell wagte 1973 eine Voraussage von zwei extremen Alternativen. Für das Bonner Familienministerium prognostizierte er, gestützt auf Erwartungen des Statistischen Bundesamtes, maximal 58,8 Millionen Deutsche im Jahr 2000, mindestens aber 57 Millionen. "Die erste Variante", erkannte Schubnell inzwischen, "war zu positiv." Und die zweite würde bedeuten, daß die Deutschen-Zahl sich beim Stand von 1963 einpendeln würde: um die 60 Millionen herum.

Welche Auswirkungen andererseits eine anhaltende "Bevölkerungsimplosion" (so das Mediziner-Fachblatt "Ärztliche Praxis") einmal haben könnte, ist ungewiß. Gesellschaftsprognostiker und Wirtschaftsforscher halten mit Voraussagen zurück, nur politisch konservative Beobachter, etwa in der "Welt". malen für die zusammenschnurrende Luxusnation ein dickes Ende aus: "reich, emanzipiert und ausgestorben".

Ungerührt hält, im Gegenteil, derweil das Bonner Familienministerium daran fest, daß "eine große und ständig wachsende Zahl" von Bundesbürgern "den Fortschritt ernsthaft gefährden" könnte. In der Tat verspräche ein Deutschenschwund einige gesellschaftlich stabilisierende und damit politisch erwünschte Tendenzen: Rationalisierung und Modernisierung der Wirtschaft verlören an Bedeutung für den Arbeitsmarkt; bei gleichbleibender Produktivität stiege das Pro-Kopf-Einkommen; die Umweltbelastung ginge zurück.

Selbst für die Emanzipation der Frau, so scheint es, könnte die stagnierende Bevölkerungszahl unerwarteten Schub bewirken. Dem enger werdenden Arbeitsmarkt winkt Entlastung aus Richtung Heim und Herd. Schon in den vergangenen Jahren ist die Ausbildung der Mädchen so qualifiziert worden, daß die Soziologin Professor Helge Pross heute bereits in den Dreißigerinnen und Vierzigerinnen, die "zu Hause wenigstens partiell entbehrlich geworden sind", ein Kräfte- und Talentpotential findet. "das einfach verschleudert wird". Nicht nur konservative Futurologen vergessen das meist in ihren Hochrechnungen.

Wo aber doppelt verdient wird und gleichzeitig für weniger Kinder angeschafft werden muß, da kann gespart werden, liegen hochwertige Konsumgüter gut im Rennen. Eine schrumpfende Zahl von Bundesbürgern müßte also keineswegs Wachstum und Wohlstand schmälern.

Damit würden womöglich erstmals Gesetze außer Kraft geraten, die gerade noch als unumstößlich galten. Denn "in allen bisher bekanntgewordenen Fällen", erinnert sich der Bielefelder Soziologe Professor Franz-Xaver Kaufmann, sei Bevölkerungsstagnation mit "einem Rückgang auch der wirtschaftlichen Aktivität, der politischen Bedeutung ... und des Wohlstandes" einhergegangen.

Weniger Deutsche, so ruft mittlerweile Bevölkerungsforscher Schubnell den neuen Optimismus aus, das bedeute vielmehr die Chance, "mit schwierigen Problemen des gesellschaftlichen und sozialen Lebens und der Umweltsituation leichter fertig zu werden".

Wenn die künftige Bevölkerungspyramide gleichwohl einen Schatten auf den sozialen Frieden von morgen wirft, dann aufgrund ihrer alarmierenden Altersschichtung. Und die ist jetzt bereits, bevor noch die geburtenschwachen Jahrgänge der Baby-Baisse statistisch wirksam werden, fest programmiert. 1985 schon werden

* 3,8 Millionen Deutsche über 75 Jahre alt sein -- 1970 waren es ein Drittel weniger;

* die unter 14jährigen nur noch knapp ein Fünftel der Deutschen ausmachen (1970: ein Viertel);

* eine halbe Million mehr ältere Deutsche im Alter zwischen 45 und 64 Jahren erwerbstätig sein als noch 1970.

Der Senioren-Boom beschwört, so scheint es, die Vision einer grauköpfigen Gesellschaft herauf, eines Gemeinwesens, in dem die Betagten immer mehr und womöglich immer mächtiger werden, während den Jungen mit der Kopfzahl der Einfluß schwindet -- Spuk einer Gerontokratie, Diktat der Alten über Konsum, Staatsausgaben und Verteilung des Sozialprodukts.

Als erstes würde die Altersumschichtung die Struktur der öffentlichen Leistungen sprengen: Steigende Versorgungsansprüche der alten Bürger würden staatliche Investitionen binden; Bildungsstätten, gegenwärtig noch in Bau oder auf dem Reißbrett, müßten zu akademischen Geisterstädten verkommen; Alten-Einrichtungen aber, heute noch nicht einmal geplant, würden fehlen.

Das dritte Kind -- gewollter Luxus oder Planungspanne?

"Schon hat", klagt "Ärztliche Praxis", "das Geburtendefizit den Kindergarten erreicht und tritt nun seinen langen Marsch durch die Bildungsinstitutionen an." Und wie es mutmaßlich weitergehen wird, rechneten Bayerns Landesplaner vor:

"In wenigen Jahren werden die Folgen des Geburtenrückganges die Schulen erfassen. Bei den bisherigen relativ starken Kinderjahrgängen reichte eine Einwohnerzahl von 5000 bis 6000 aus, um ein Grundschulsystem auszulasten. In den achtziger Jahren wird infolge der schwachen Kinderjahrgänge hierzu wenigstens die doppelte Einwohnerzahl nötig sein."

Ohnehin werden im Bundesgebiet 1980 Zehntausende heute studierender Lehrer keine Anstellung finden, denn die Länder sparen schon jetzt Planstellen für eigentlich noch benötigte Lehrer ein (SPIEGEL 4/1975), um sie 1980 nicht erst streichen zu müssen. Die Gefahr, daß einerseits Scharen arbeitsloser Lehrer Altenpflege betreiben, andererseits das Verhältnis Lehrer/Schüler bei 1:25,5 bleibt, wie es ist, mithin am unteren Ende der Skala industrialisierter Länder, ist nicht von der Hand zu weisen.

Dabei wird die "Gesamtbelastungsquote" -- so errechnet aus dem Verhältnis Erwerbstätiger zu Versorgungsberechtigten -- bis 1990 erheblich sinken, dann erst etwas ansteigen, jedoch nie mehr den Höchstwert von 1972 erreichen. Derzeit müssen im Schnitt 53 Männer und Frauen im Erwerbsalter für 47 Nesthocker und Altenteiler sorgen. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts werden 60 Tätige für 40 Pensionäre, Studenten und Kinder mitarbeiten.

Kassandra-Rufe, die Jüngeren müßten die "sozialen Lastesel der Zukunft" abgeben (Futurologe Dr. Hans-Georg Graf aus St. Gallen), hält Bevölkerungsforscher Schubnell gleichwohl für unangebracht: "Junge Menschen sind es, die 20 Jahre lang Geld kosten. Ein 65 jähriger hat nicht die Chance, noch so lange zu leben."

Ähnlich argumentiert Statistiker Schwarz: Für die Berufstätigen werde sich aus der gewandelten Altersstruktur "im ganzen nicht eine stärkere Belastung, sondern eine finanzielle Entlastung" ergeben. Denn, so Schwarz, "Kinder kosten mehr als ältere Leute", etwa "weil für die Kinder neben den Kosten für den Lebensunterhalt noch die Kosten für die Ausbildung in Form von Ausgaben für Gebäude, Einrichtungen, Lehrmittel und Lehrgelder anfallen".

Auch auf die Altersversorgung der derzeitigen Beitragszahler in der Rentenversicherung werde sich der Geburtenrückgang, so Bonns Familienministerium, "nicht zwangsläufig nachteilig" auswirken: "Die geringere Zahl der erwerbsfähigen Bevölkerung kann auch durch eine stärkere Erwerbsbeteiligung ausgeglichen werden", beispielsweise durch jene kinderarmen Frauen, die daheim nicht ausgelastet sind. Drückendere Rentenlasten als in der Vergangenheit stehen, jedenfalls laut Arbeitsministerium, nicht zu befürchten. Das generative Verhalten zu ändern, die Tendenz umzukehren, würde -- darüber sind sich die Bevölkerungsforscher einig -- voraussetzen, daß in einem Teil der Ehen wieder die Bereitschaft wächst, die Familie zu vergrößern, genauer: sich ein drittes Kind zu gönnen.

Schwarz: "Zur Regeneration der Bevölkerung müssen 1000 Frauen, die vor dem 45. Lebensjahr geheiratet haben, im Laufe ihres Lebens im Durchschnitt 2180 Kinder lebend zur Welt bringen."

Dieses Minimum kann nur erreicht werden, "wenn mindestens 30 Prozent der Eheleute drei und mehr Kinder haben". Derzeit freilich werden gerade die "dritten Kinder", wie Professor Jürgens bei einer Langzeituntersuchung herausfand, "am häufigsten als "Planungspanne" empfunden".

Ausgeschlossen erscheint ein Wandel nicht. Schon glauben die Fruchtbarkeitsforscher unter den Bundesbürgerinnen eine Minderheit ausgemacht zu haben, die "mehr als zwei Kinder" neuerdings "individuell für ideal" hält: eine elitäre Gruppe von Frauen, die sich durch "hohes Emanzipations-, Bildungs- und auch Einkommensniveau" (Jürgens) auszeichnen.

Sollten solche Frauen -- die wie selbstverständlich die Pille nehmen, sich ihren Ehemännern ebenbürtig fühlen und bewußt ihren Beruf aufgeben, um eine Kinderschar aufs beste zu erziehen -- zu modischen Leitfiguren werden, wäre ein neuer Baby-Boom fällig. Jürgens hält es sogar für "denkbar", daß eine solche Entwicklung sich auch in wirtschaftlich schlechten Zeiten vollziehen könnte: Kinder als gewollter Luxus. (weiter lesen).